Skip to main content

HR News & Stories

Bewerbungsunterlagen für den Betriebsrat

Digitaler Lesezugriff ist ausreichend

02.05.2024 (ML)

Der Arbeitgeber, der den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführt, genügt seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes - mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit nutzbares - Einsichtsrecht gewährt und die Möglichkeit besteht, Notizen anzufertigen.

Der Arbeitgeber hat die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung eines Mitarbeiters beim Arbeitsgericht beantragt, da der Betriebsrat seine Zustimmung mit dem Hinweis darauf verweigerte, dass ihm die Bewerbungsunterlagen in Schriftform vorgelegt werden müssten. Der Arbeitgeber verwendete jedoch ein Softwareprogramm zum Recruiting, das Stellenausschreibungen verwaltet und ein internes und externes Bewerberportal enthält. Hierzu lag auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung vor und dem Betriebsrat stand ein digitales Leserecht zu. Der Betriebsrat meinte dennoch nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden zu sein, da die Bewerbungsunterlagen nicht in Papierform vorgelegt wurden. Dem hat das BAG widersprochen und die verweigerte Zustimmung zur Einstellung ersetzt.

Der Arbeitgeber habe das Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet. Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats i.S.v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu informieren. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist. Bei einer Einstellung sind nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG insbesondere der in Aussicht genommene Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen.

Der Arbeitgeber kam zudem seiner Verpflichtung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nach, dem Betriebsrat die erforderlichen „Bewerbungsunterlagen“ vorzulegen. Den Mitgliedern des Betriebsrats stand nach der BV ein Einsichtsrecht in die dort näher aufgeführten „Datenfelder“ des Programms „Recruiting“ zu. Mithilfe der zur Verfügung stehenden Laptops konnten sie daher jederzeit die im Programm hinterlegten Anschreiben und Lebensläufe sowie - sofern übermittelt - Zeugnisse und Zertifikate der insgesamt 33 externen Bewerber um die Stelle einsehen. Die Zulässigkeit des digitalen Lesegriffs ergebe sich sowohl aus der Auslegung als auch nach dem Sinn und Zweck des § 99 BetrVG. Erforderlich sei, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Unterlagen aller Stellenbewerber in der Regel so überlässt, dass sie ihm für die Dauer der gesetzlichen Entscheidungsfrist über das Zustimmungsgesuch, einschließlich der Sitzung, über die Beschlussfassung, zur Verfügung stehen. Dies sei durch das digitale Einblick- und Leserecht erfüllt. Die Betriebsräte durften sich auch sogenannte Screenshots anfertigen. Datenschutzrechtlich bestanden ebenfalls keine Bedenken, da sich das digitale Einsichtsrecht des Betriebsrats auf diejenigen Unterlagen beschränkte, die - wenn sie physisch vorhanden wären, dem Betriebsrat in diesem Format hätten überlassen werden müssen. Die darin liegende Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und Abs. 3 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG erforderlich, weil sie der Erfüllung einer in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers dient. Zu dem sind die Mitglieder des Betriebsrats in jedem Fall verpflichtet, über die ihnen in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer Stillschweigen zu bewahren.

Auf weitere im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren geltend gemachte Zustimmungverweigerungsgründe konnte sich der Betriebsrat nicht berufen, da diese nicht in seinem Zustimmungverweigerungschreiben aufgeführt waren und ein Nachschieben weiterer Gründe nach Ablauf der Wochenfrist ausscheidet.

 1-ABR-28-22.pdf

Bundesarbeitsgericht, 13.12.2023 - 1 ABR 28/22